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Wednesday, August 20, 2014

Ungebändigt von Katherine Angel


Kurzbeschreibung
Dieses Buch ist ein intimes und erotisches Geständnis einer Frau und Geliebten. Es ist aber auch eine intensive Betrachtung widersprüchlicher und in unserer Gesellschaft fest verwurzelter Vorstellungen von Sexualität. Mit bemerkenswerter Offenheit reflektiert Angel die Geschichte ihrer sexuellen Begegnungen und Überzeugungen und zeigt, wie unser Leben durch unsere Sprache und unsere Erfahrungen geprägt wird. Lyrisch, erotisch, mutig und mit Bildern, die einem im Gedächtnis bleiben.

Über die Autorin
Katherine Angel arbeitet an der Queen Mary Universität in London. Sie untersucht die Geschichte weiblicher Sexualstörungen und hat unter anderem Fachartikel für »The Independent« und »Prospect« geschrieben.
Die Autorin lebt in London.

Aus dem Buch:

Liebesglück kann ein Geschenk des Zufalls sein; zum Teil eine Frage des richtigen Zeitpunkts. Vor ein paar Jahren tauchte ich aus einem unterirdischen Bereich auf- das Unglücklichsein fortgehoben - auf und davon! - ein Ballon von der Leine gelassen - und entrollte mich aus einer Lähmung des Denkens, Fühlens, Erinnerns.
Ich schnurrte nur so.
Und dann begegnete ich ihm. Die erste Nacht: Ich stieg hinten auf seine Vespa, er beugte sich zurück, packte meine nackten, unsicheren Beine und setzte sie auf die Fußrasten. Auf seiner Couch wickelten wir einander aus; und dann stand er auf, hob mich hoch, trug mich ins Nebenzimmer und warf mich aufs Bett.
Ich wurde von Wonne überflutet.
Ich war ein Wölkchen, und ich war frei.

Er war still; ich war geschwätzig.
Eines Nachts, als draußen ein frühes Morgenlicht heraufzog und wir ineinander verschlungen lagen, ein verschwommenes Gebilde aus Haut und Gliedern und Mündern, sprach ich träumerisch davon, wie sehr ich es liebte, wenn seine große Gestalt beim Sex über mir aufragte; wie sehr ich es liebte, wenn seine starken Arme meinen Hals umschlangen, während er von hinten in mich eindrang; wie ich es liebte, seine Kraft zu spüren, wenn er mich fickte - ja, er fickte mich, denn das - wir wollen nicht verschämt oder unehrlich sein - war es, was eindeutig hier geschah.
Ich verlor mich in meinen Träumereien. Er sah mich an, zog den Kopf zurück, wie um einen klareren Blick zu gewinnen, und sagte: Du bist eigentlich gar keine Feministin, stimmt's?
Ich lachte.
Ich erklärte nicht warum.

Was mir gefällt - oder was ich mir gern anschaue, und das ist vielleicht nicht dasselbe -, ist verrücktes Zeug mit Pep und Klasse und gerade so weit von den schmierigen Assoziationen von Porno (»Porno«, nicht »Pornografie«) entfernt, dass ich mich ohne Schaudern auf dem schmalen Grat schierer instrumentaler Lust bewegen kann. Stilisierte Körper voller Intelligenz und Spielfreude; in höchstem Maß ästhetisiert bis hin zum Leugnen dieser Ästhetik. Fotografen mit Talent und Witz - spielerisch, voll postmoderner Intertextualität!
Diese intelligente, ironische Ästhetik erfüllt eine klare Funktion: Sie wirkt nicht wie Porno. Oder nicht so, wie Porno meiner Meinung nach wirken soll, und das heißt: misogyn, zwanghaft, schäbig.

Doch misogyner, zwanghafter, schäbiger Porno ist nicht notwendig unerotisch - es kommt eben darauf an, was man unter erotisch versteht. Diese kerligen, wortkargen Männer und wackelnden Hochglanzfrauen bei ihren desolat-dämlichen Stelldichein - die sind mir peinlich. Da muss ich mich kringeln vor Lachen, muss mir die Augen zuhalten und fühle mich manchmal auch beleidigt. Ihre Verrichtungen haben etwas Totes, Freudloses an sich. Sie geben mir ein Gefühl innerer Leere, einer leichten Bedrücktheit - ein Gefühl, das vielleicht Ähnlichkeit hat mit der Trostlosigkeit, dem heftigen, nagenden Schmerz des Alleinseins, der, nach den Schilderungen männlicher Freunde und Liebhaber, manchmal zurückbleibt nach einem Orgasmus allein oder mit einem Menschen, den sie nicht lieben.

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